Masken runter! (Warum wir uns unsichtbar machen)
Ausnahmsweise geht es nicht um diese außergewöhnliche Zeit, sondern um eine ganz einfache und doch unglaublich schwere Frage:
Weißt du, wer du bist?
Du denkst wahrscheinlich, „was für eine Frage, klar weiß ich das! Ich bin Maria oder Max Mustermann, Single/verheiratet, Vater/Mutter, Freund/in, angestellt/Unternehmer/in,…“
Aber das meine ich nicht. Das sind alles nur Rollen in dem Theaterstück unseres Lebens.
Aber wer bist du? Backstage? Dein ganz einzigartiges, wirkliches Ich?
Wir inszenieren unsere Person, also unsere Selbstdarstellung.
Was für eine Person sollen die anderen sehen?
Warum machen wir das?
Hier ein paar Beispiele:
Da gibt es einmal die wunderbare Maske, der Ausflug vom eigentlichen Ich.
Ganz bewusst tauchen wir ein in eine andere Rolle, einfach, weil es Spaß macht.
Fasching ist da das beste Beispiel. Oder auch der Urlaub.
Wir können das tun, was wir uns sonst nicht trauen, wir genießen die Freiheit und sind unbeschwert. Diese Maske lieben und leben wir ganz bewusst.
Mit etwas Glück retten wir ein bisschen davon in unseren Alltag.
Langsam wird es schwieriger…
Nehmen wir mal die Gesellschaftsmaske.
Es ist dir lieber, dein Gegenüber weiß nicht, was du wirklich denkst.
Der Klassiker ist „wie geht es dir?“
Wenn du „gut“ sagst, geht es dir dann wirklich gut?
Oder meinst du eher, „das geht dich gar nichts an“, „ das interessiert dich nicht wirklich“ oder „ich möchte jetzt nicht darüber reden“?
Was dich beschäftigt, ist gerade jetzt nur deine Sache. Trotzdem möchtest du niemanden vor den Kopf stoßen und lächelst.
Keine Gesellschaft kann funktionieren, wenn jeder ungefiltert alles tut und sagt, was ihm in den Sinn kommt. Diese Maske dient der Erhaltung des Friedens und ist – bis zu einer gewissen Grenze – nicht schwer zu tragen und absolut sinnvoll.
Und jetzt geht´s zur Sache, ich zeige dir die Masken der Angst.
Und die hat jeder. Einerseits ist es reiner Instinkt, denn die Angst vor der Ablehnung und Ausgrenzung hat ihren Ursprung in der Evolution. In der Frühgeschichte der Menschheit waren wir darauf angewiesen, Teil einer Sippe zu sein. Zurückweisung und Ablehnung waren der erste Schritt zum Ausschluss aus der Gruppe, und das bedeutete den sicheren Tod.
Dieser Urzeit-Teil des Hirns ist uns bis heute erhalten geblieben.
Hinzu kommt ein zweiter Aspekt.
Wir kommen als hilflose Babies auf die Welt und sind vollkommen abhängig von der Liebe und Versorgung durch unsere Eltern. Sie prägen uns. In bester Absicht erziehen sie uns und wollen uns damit unser Leben leichter machen.
Was wir lernen ist, sei lieb und gehorche, dann wirst du gelobt. Erfülle Erwartungen, dann wirst du sogar geliebt! Und wenn du auch noch richtig Leistung erbringst, ist dir die Anerkennung der anderen sicher.
Also passen wir uns an.
Durch unsere Angst sind wir nicht bei uns, sondern bei der Person, die die anderen sehen sollen.
Lieb sein, Erwartungen erfüllen und Leistung erbringen = Gemeinschaft + Anerkennung = Sicherheit. Check! Die Spiegelmaske sitzt.
Der Preis? Dein Ich verschwindet, deine Einzigartigkeit ist verloren.
Noch ein Beispiel? Nehmen wir die Angst vor dem Verlassen werden. Hier „wartest“ du nur darauf, dass es schief geht und suchst nach dem Beweis. Es heißt, Eifersucht ist eine Leidenschaft, die mit Eifer sucht, was Leiden schafft. Und tatsächlich, du hattest recht! Gesucht – gefunden.
Also setzt du dir die Maske der Kontrolle auf, beim nächsten Mal hältst du die Zügel noch straffer.
Ich erzähle dir noch von einer weiteren Angst. Du gehst sie in zwei Varianten an. Entweder, durch sie richten sich alle Scheinwerfer auf dich oder sie macht dich unsichtbar.
Du kennst sie, die Menschen, die sich nach vorne drängen, am lautesten lachen, immer dazwischen reden und ohne Rücksicht ihren Willen durchsetzen. Vielleicht fällt dir sogar der ein oder andere Prominente dazu ein…
Oder die Mauerblümchen, die keiner sieht. Sie stehen immer ganz hinten, sind benehmen sich unauffällig und reden, wenn überhaupt, nur ganz leise. Bloß keine Aufmerksamkeit!
Darf ich vorstellen: die Angst vor Enttarnung. Keiner soll merken, dass du ein Verlierer bist und nichts auf die Reihe kriegst.
Dazu möchte ich dir eine Geschichte erzählen:
Sie beginnt mit einem ganz alltäglichen 12-jährigen Mädchen. Sie hat immer wieder Mandelentzündung, deshalb sollen diese entfernt werden. Und das läuft gründlich schief. Fast verliert sie Ihr Leben, wird mehrfach nachoperiert und muss über 6 Wochen allein in einer Spezialklinik über 100 km entfernt von zu Hause behandelt werden. Allein, weil sie schon zwölf ist und somit keinen Anspruch auf elterliche Begleitung hat. Schlimm genug.
Aber da geht noch mehr. Ein halbes Jahr muss sie die Schule aussetzen, bevor sie leidlich gesund wieder einsteigen kann. Die Zeit kann sie nicht aufholen, also wird sie ein Jahr zurückversetzt. In dieser Schule gibt es Spezialisierungen, und in der Kunstklasse ist kein Platz mehr. Also geht sie in die Musikklasse. Dort spielen alle mindestens zwei Instrumente und können komponieren.
Sie kann nicht mal Noten lesen.
Und das Schlimmste: aufgrund der OPs wurden ihr die Haare abrasiert und die waren noch nicht groß nachgewachsen. Das stärkt nicht wirklich das Selbstwertgefühl eines Teenagers.
Du siehst, das ist DER Weg für ausgewachsene Minderwertigkeitskomplexe.
Und ja, du hast richtig getippt, dieses Mädchen war ich.
Jetzt erst recht auf den Putz zu hauen war nicht mein Ding.
Also habe ich mir so schnell ich konnte die Maske der Unsichtbarkeit zugelegt.
Bloß nicht auffallen, schön bedeckt halten. Und lieber folgen, ja nicht anecken.
Ein Jahr später habe ich übrigens die Schule gewechselt, dann wurde es besser.
Dennoch war der Schaden angerichtet; ich bin lange nur mitgelaufen, ohne Blick auf meine Stärken und meine Talente, ohne Stolz auf meine Leistungen.
Ich will mit dieser Geschichte nicht auf die Tränendrüse drücken, sondern dir zeigen, ich weiß, wovon ich rede.
Und dass dein Fokus, deine Erfahrung die Sicht auf dich selbst prägt.
Nicht die Realität.
Und ganz besonders möchte ich dir sagen: Du, nur du hast die Macht, deine Maske abzusetzen.
Der Beginn ist auf jeden Fall der Blick nach innen. Du findest Zugang zu dir in der Meditation.
Dazu musst du nicht unbedingt still im Lotussitz auf einem Kissen sitzen. Aber Stille oder allein sein mit dir selbst und Achtsamkeit führen dich zurück zu deinem Ursprung.
Eine der Möglichkeiten ist es, allein in der Natur zu sein. Wandern, Joggen, Radfahren. Nur du und deine Gedanken und Gefühle.
Meditation bringt dir Klarheit. Du lernst zu benennen, was genau dich belastet.
Noch einmal in Kürze:
Warum legen wir Masken zu, die uns schützen sollen?
Aufgrund unserer Evolutionsgeschichte, unserer Biologie und aufgrund unserer Prägung/Erfahrung.
Und nun zu dir. Deine Erfahrungen haben dich geprägt und deine Masken haben sich bewährt.
Der Unterschied zu vorher ist: Jetzt weißt du, dass du Masken trägst.
Und genauso, wie du diese Masken aufgesetzt und dir ein Verhalten angewöhnt hast, kannst du es dir auch wieder abgewöhnen.
Es sind nur Gewohnheiten. Einfach gesagt hast du durch deine ewigen Wiederholungen der gleichen Gedanken und Verhaltensweisen die Datenautobahnen in deinem Hirn immer weiter ausgebaut und verfestigt. Aber Gewohnheiten kann man ändern oder ablegen. Die Wissenschaft hat festgestellt, dass wir bis ins hohe Alter lernfähig sind und die „Straßen“ im Hirn neu verlegen können. Es dauert ungefähr drei Wochen, bis ein neuer Weg angelegt ist. Dann ist es nicht mehr soo schwer, aus diesem Weg eine Straße und dann eine neue Autobahn zu machen.
Daher prüfe: Sind deine Masken für dich eine Einschränkung?
Verhältst du dich irgendwo anders, als du eigentlich möchtest
oder kannst du deine Werte klar äußern?
Vermeidest du es, deine Meinung zu sagen und deine Wünsche zu äußern
oder ist es für dich selbstverständlich?
Sind dir neue Situationen und Menschen unheimlich
oder genießt du neue Erfahrungen?
Ist dir das, was andere von dir halten, wichtiger
als das, was du über dich denkst?
Wenn deine Antwort auch nur „vielleicht“ ist, hab den Mut, die Maske zu lüften.
Was hast du zu verlieren?
Und nun schau: Entsprechen deine Ängste heute noch der Realität?
Bist du wirklich bedroht? Kannst du wirklich nicht mithalten?
Willst du wirklich da sein, wo du jetzt bist? Oder lieber aufbrechen?
Holst du immer noch die alten Dramen auf die Bühne oder lebst du im Jetzt?
Und nun erste schwere Schritt: Die Veränderung
Du brauchst nicht dein ganzes Leben umkrempeln. Fang einfach mal an und mach eine Kleinigkeit anders. Oder etwas Neues.
Es gibt diese wunderbare Metapher von dem Schiff auf See, das um nur einen Grad seinen Kurs ändert. Zunächst passiert nichts. Aber nach mehreren Wochen kommt es in einem ganz anderen Hafen an.
Teste dein echtes Ich in kleinen Dingen. Mit deinen Möglichkeiten.
Kein Risiko. Aber ein erster Schritt.
Ich weiß, das ist beängstigend.
Aber wenn du einmal dein Herz in beide Hände nimmst und dich traust, dann wird es beim zweiten Mal etwas leichter. Du machst positive Erfahrungen. Und der nächste Sprung über den Schatten ist nicht mehr ganz so utopisch.
Genau das habe ich erlebt.
OK, meine Maske liegt immer noch im Schrank. So für alle Fälle.
Aber sie passt nicht mehr, sie ist jetzt ein wunderbares Symbol für den Weg, den ich nun schon zurückgelegt habe.
Und ein letzter Rat: Hab Geduld mit dir.
Es ist eine Reise. Genieß den Weg und jeden kleinen Erfolg. Du kannst nicht verlieren, du sammelst Erfahrungen, und Erfahrungen bringen Wachstum.
Mach dich sichtbar! Die Welt braucht dich mit deinen Talenten und deiner Stimme.
Tritt auf die Bühne als DU.
Erlebe die elektrisierende Lebendigkeit, deine Werte nach außen zu tragen und Sinn zu spenden.
Denn dafür ist die Bühne gedacht.
So, und nun bin ich hier. Selbst nach großen Schattensprüngen.
Und du liest meinen Artikel. Sogar bis zum Ende. Das ist toll!
Machst du denn jetzt auch den ersten Schritt?
Auf jeden Fall weiß ich, wenn ich mich getraut habe, schaffst du das auch.
Also, was hält dich auf? Ich glaub an dich, und dein Weg wartet.
Sei herzlich gegrüßt,
Tanja von schneiderart.de