Über den Gastautor:
Jonas ist Student der Philosophie und BWL an der Universität Mannheim, außerdem ein digitaler Nomade, Freizeit-Autor und notorischer Autodidakt, ein Generalist und interdisziplinär veranlagt. Sein Motto ist: Love it, change it or leave it. Und dann noch so eine Mischung aus Toyota und Nike: Nichts ist unmöglich – Mach es einfach!
Auf Gedankennahrung.de schreibt er über Psychologie, Inspiration und Alltagsbewältigung.
Neulich streifte ich durch die hiesigen Elektro-Fachmärkte auf der Suche nach einem Fernseher. Die Auswahl ist enorm. Und jeder, der sich schon mal für ein bestimmtes Gerät entscheiden musste, weiß: Das ist schwer!
Sony oder Samsung? Smart TV oder traditionell? LCD, LED, ABC… Irgendwann sieht alles gleich aus. Und fragt uns der Verkäufer „Welcher darf’s denn sein?“, so wissen wir darauf plötzlich keine Antwort. Die Entscheidung fällt uns schwer – trotz Stunden des Vergleichens.
Oder gerade deswegen?
Willenskraft als endliche Resource
Auf meinem Blog Gedankennahrung schreibe ich unter anderem über psychologische Phänomene im Alltag. Besonders spannend ist natürlich das Thema Willenskraft.
Unsere Willenskraft ist wie ein Muskel und anstrengende Tätigkeiten erschöpfen ihn – z.B. das Wählen von Alternativen. Welcher Fernseher darf es sein?
Das Fällen von Entscheidungen ermüdet uns genau so wie das Muskeltraining eines Sportlers. Jedem, der in der Mucki-Bude mal einen Bankdrücker beobachtet hat, fällt auf, dass mit zunehmender Anzahl an Wiederholungen die Stabilität der Ausführung nachlässt.
Kurz: Es wurde immer wackeliger und gefährlicher.
Mit jeder weiteren Wiederholung werden die Muskeln ermüdet und die Kraft lässt nach, was eine saubere Ausführung erschwert.
Genau das gleiche passiert, wenn wir eine Reihe von Entscheidungen fällen müssen. Mit jeder weiteren Entscheidungen, die wir fällen, erschöpft sich unsere Willenskraft. Und so wie die Ausführungen des Sportlers immer wackliger werden, so werden auch unsere Entscheidungen immer fragwürdiger je erschöpfter unsere Willenskraft ist.
Sind wir noch frisch im Kopf, so entscheiden wir eher rational. Neigt sich aber unsere Willenskraft dem Ende zu, so fällen wir Entscheidungen eher impulsiv. Wir hören mehr auf unser „Bauchgefühl“, statt nachzudenken. Kurzfristige Resultate interessieren und dann mehr als die langfristigen Folgen der Wahl.
Dieses Phänomen wird Decision Fatigue genannt.
Und es ist so alltäglich, dass wir uns unbedingt darüber im Klaren sein sollten. Sonst verletzen wir uns noch selbst, so wie der Bankdrücker, der sich überschätzt und eine Wiederholung zu viel macht.
Entscheiden Richter immer rational?
Vor ein paar Jahren wurde ein psychologisches Paper über eine interessante Untersuchung veröffentlicht, die unter anderem auch von Daniel Kahneman (Schnelles Denken, Langsames Denken) betreut wurde. Das Ergebnis ist beängstigend!
Die Arbeit beginnt mit folgender Frage: Sind richterliche Entscheidungen alleine auf Fakten und Recht gestützt?
Die Antwort: Nein.
Die Psychologen werteten über 1100 richterliche Entscheidungssprüche aus, bei denen es darum ging, ob Gefangene unter Auflage freigelassen werden sollen.
Anfänglich entschieden die Richter im Sinne der Gefangenen zu 65%. Doch mit jeder weiteren Entscheidung sank die Chance, freigelassen zu werden, allmählich gegen 0.
Interessanterweise stieg die Wahrscheinlichkeit nach der Mittagspause wieder auf 65% und das Spiel wiederholte sich.
Kurz: Waren die Richter erschöpft, so sagten sie eher pauschal Nein statt über die Fälle nachzudenken. Ihre Entscheidungen wurden impulsiver und verloren ihren rationalen Charakter, den man eigentlich bei einer solchen schwerwiegenden Entscheidung erwarten müsste.
Ein klarer Fall von Decision Fatigue – mit fatalen Folgen für diejenigen, die erst gegen Ende des Tages vor den Richter durften.
3 Dinge, die man gegen Decision Fatigue tun kann
Zugegeben, die Überschrift ist etwas verwirrend. Ist man erst einmal im Zustand der Decision Fatigue, so gibt es relativ wenig, was man dagegen tun kann. Wir sollten keine Entscheidungen fällen, wenn unsere Willenskraft erschöpft ist.
Aber es gibt ein paar Tricks, wie man geschickt mit Decision Fatigue umgehen kann. Hier sind 3:
- Fälle wichtige Entscheidungen morgens
- Verschiebe die Entscheidung
- Esse einen Snack
1. Fälle wichtige Entscheidungen morgens
Besonderes Glück hatten die Gefangenen, die gleich morgens vor den Richter gestellt wurden. Dessen mentaler Muskel war noch frisch und seine Entscheidung wohl durchdacht – die Chance auf Freiheit groß.
Auch wir sollten unsere Tagesplanung so einrichten, dass wichtige Entscheidungen gleich als Erstes nach dem Frühstück gefällt werden sollten. Dann nämlich, wenn wir noch frisch im Kopf sind und rational entscheiden. Warten wir bis abends, wenn wir erschöpft sind, so werden wir unsere Entscheidung unter Umständen später bereuen.
2. Verschiebe die Entscheidung
Gut, aber was ist nun mit kurzfristigen Entscheidungen? Angenommen wir bekommen am Abend einen geschäftlichen Anruf und müssen zwischen zwei Alternativen wählen. Was tun?
Die Verlockung ist groß, impulsiv zu entscheiden. Schließlich ist Feierabend! Man hat ja besseres zu tun. Also schnell eine Wahl getroffen und zurück auf die Couch.
Das kann verheerende Folgen haben. Besser ist es, sich zu fragen, ob diese Entscheidung nun unbedingt jetzt gefällt werden muss. Hat es nicht womöglich auch noch Zeit bis zum nächsten Morgen, wenn der Kopf frisch ist?
3. Esse einen Snack
Was machen wir aber, wenn die Person am anderen Ende der Leitung sagt: „Nein Jonas, hat es nicht. Wir brauchen heute noch eine Entscheidung und zwar möglichst zeitnah!“
Trick 1 und 2 lassen sich nicht anwenden. Die Pistole ist auf unsere Brust gerichtet – man erwartet eine Antwort. Was also tun?
Mache ein Pause und esse eine Kleinigkeit.
Die oben erwähnte Studie zeigte, dass die Richter nach der Mittagspause wieder bessere Entscheidungen fällten. Die mentale Muskeln wurden mit neuen Nährstoffen versorgt. Die Willenskraft bekam neue Energie.
Nachwort
Täglich stehen wir vor Entscheidungen und nun, da wir vom Phänomen der Decision Fatigue wissen, sind wir in der Lage, diese besser zu fällen. Die drei genannten Tricks helfen dabei.
Natürlich gibt es noch eine Fülle von weiteren psychologischen Phänomenen, die uns im Alltag begegnen und von denen man wissen sollte. Über diese schreibe ich auf meinem Gedankennahrung Blog.
Drei Beispiele, die dich interessieren könnten:
Willenskraft Teil 1: Einfluss durch soziale Akzeptanz
Willenskraft Teil 2: Ego Depletion
Ankereffekt: Unterschwelliger Einfluss auf Entscheidungen
Über den Gastautor:
Jonas ist Student der Philosophie und BWL an der Universität Mannheim, außerdem ein digitaler Nomade, Freizeit-Autor und notorischer Autodidakt, ein Generalist und interdisziplinär veranlagt. Sein Motto ist: Love it, change it or leave it. Und dann noch so eine Mischung aus Toyota und Nike: Nichts ist unmöglich – Mach es einfach!
Auf Gedankennahrung.de schreibt er über Psychologie, Inspiration und Alltagsbewältigung.